Samstag, 6. März 2010

chumbawamba: on ebay

Der "Ebay-Song" von Chumbawamba zählt schon seit Jahren zu einem meiner Lieblingssongs. Per Zufall hörte ich vor kurzem von der Enstehungsgeschichte des Songs bei Popsplits. Ich war sehr überrascht über die Geschichte und sehe den Song nun mit anderen Augen...

Baghdad im April 2003. Die US-Streitkräfte erreichen die irakische Hauptstadt, das Saddam-Hussein-Regime hat den Krieg verloren. In diesem Chaos wurde das bedeutende ”Irak-Museum” mit seinen zum Teil mehrere tausend Jahre alten Fundstücken aus der sumerischen Zeit von Plünderern heimgesucht - internationale Kunsthändler hatten regelrecht Aufträge vergeben. Ungefähr 15.000 Einzelstücke gingen so verloren – seitdem tauchen immer wieder einige von ihnen beim Internetanbieter eBay auf.

Im Juni 2004 erinnerte die altgediente britische Politband Chumbawamba auf ihrem Album ”UN” mit dem Song ”On Ebay” an diesen Skandal. Sie liefern damit einen bösen und ironischen Kommentar, dass praktisch alles als Ware und weltweit verfügbar gesehen werden kann, und einen Kommentar zu dem damit verbundenen Ausverkauf – nicht zuletzt der Kulturgüter. Gleich am Anfang des Songs wird eine wenig glückliche Parallele zum NS-Vandalismus gezogen, der sich im Bildersturm gegen die so genannte ”entartete” Kunst – die moderne nämlich – austobte. Stellvertretend für alle diese Künstler/innen nennen Chumbawamba den österreichischen Maler Oskar Kokoschka.
Dann setzt der Song zu seiner Attacke auf den modernen Glauben an, wirklich alles zum Verkauf anbieten zu können. ”That stuff inside your houses and that stuff behind your eyes, well it all ends up as stuff that you can buy on eBay” (Das Zeug in euren Häusern und das Zeug hinter euren Augen, tja, es endet alles als Zeug, was ihr auf eBay kaufen könnt).

Chumbawamba beklagen also, dass selbst der Inhalt in unseren Köpfen zum Verkauf steht. Alles ist im Angebot, landet anschließend im Netz und wird so in alle Welt verstreut. ”From Babylon back to Babylon” - Baghdad hieß früher Babylon und dieser Begriff steht im Reggae für den Ort der Fremde, in dem das Böse regiert. Für das ”Sündenbabel” sozusagen. eBay als der weltweit bekannte Handelsplatz im Internet wird für Chumbawamba zur prototypischen Zielscheibe für die Kritik an der hippen Verkaufsgesellschaft. Die Plünderung des Museums in Baghdad ist nur ein trauriger Höhepunkt der Entwicklung, in allem nur noch eine Ware zu sehen – wobei egal ist, ob Kopien oder echte Kunstschätze verkauft werden. ”There's stuff dressed up as truth and then there's stuff dressed up as lies” (Manches Zeug sieht aus wie wahr und anderes Zeug sieht nach Lügen aus), lautet das traurige Fazit von Chumbawamba.

Vor allem in einer globalisierten Welt können sich die vergleichsweise reichen Bewohner der entwickelten Industriestaaten praktisch alles kaufen. Und es per Internet in den entlegensten Ecken aufstöbern. Was nur die subtilere Form der Plünderung ist, die Chumbawamba hier anprangern. Höchst erfolgreich übrigens, denn der Song war über Monate ein viel gespielter Radiohit. Ihre Botschaft ist allerdings in einen nett dahinschaukelnden Popsong mit Reggae-Elementen eingebaut, bei dem der aufrüttelnde Text leicht überhört werden kann.
Quelle:
www.fluter.de

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